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Herausforderungen beim Dreh von Coco Chanel

Editorial Team

Ein Schlüsselelement beim Entwerfen der Kostüme bestand darin, die Einflüsse auf CHANELS späteren Stil zu verdeutlichen. „Jeder große Modedesigner hat seinen speziellen Kode in Sachen Linie, Farbe oder Material“, sagt Leterrier. „Den Stil von CHANEL erkennt

jeder auf Anhieb. Lagerfeld adaptiert den CHANEL-Stil für die Zukunft, ich ging umgekehrt vor, drehte die Uhr buchstäblich zurück und entwarf Modelle, die Chanel am Anfang ihrer Karriere selbst hätte entwerfen können, die in jedem Fall ihrem späteren Stil entsprechen.

Typisch für CHANEL sind der Schnitt, der weiche Fall der Stoffe und die schlichte Perfektion der Fertigung. Die Kleidung, die wir für den Film entwarfen, musste dem hohen Standard der Haute Couture gerecht werden.“

 

 

Catherine Leterrier richtete eine regelrechte Schneiderwerkstatt ein, in der Lehrmädchen und Vorarbeiterinnen rund um die Uhr die zahlreichen Kostüme schneiderten, die für den Film gebraucht wurden. „Für die Szenen mit vielen Komparsen – Tanzhalle, Pferderennen, Emiliennes Theater usw. – stellten wir zusätzlich zu den Kostümen ungefähr 800 Hüte her, die von zwei großartigen Hutmachern, Stephen Jones und Pippa Cleator, entworfen wurden. Bevor sie sich auf Kleidung spezialisierte, war Chanel ja eine erfolgreiche Hutmacherin, und ihre Hüte waren abstraktere, deutlich schlichtere Kreationen als zu ihrer Zeit üblich. Sie machte sich gern über die überladenen Hüte lustig, die die Frauen damals trugen: „Wie können sie mit so etwas auf dem Kopf überhaupt denken?!“

 

Eine besondere Herausforderung bestand darin, die modernere Kleidung mit der Ära zu verschmelzen, in der Chanel sie einführte. „Die Schwierigkeit bestand für mich darin, die Eleganz von CHANELS schlichtem, fließenden Stil mit der Mode der Jahrhundertwende zu

kontrastieren“, erklärt Leterrier. „Ich wollte durchaus deren Schönheit bewahren – Blusen, die die Brust betonen, die Bänder, die Spitze, die Federn und Rüschen – und dabei doch zeigen, wie aufdringlich, übertrieben und gleichzeitig steif dieser Stil war.“ Für die Modenschau, die den Film beendet, wählte Leterrier in der Sammlung CHANEL authentische Modelle und Schmuck aus verschiedenen Epochen. „Die Zusammenarbeit mit CHANEL war sehr wichtig für uns, besonders bei der letzten Sequenz. Es wäre undenkbar gewesen, Kleidung zu zeigen, die nicht das CHANEL-Label trägt“, sagt Fontaine. „Sämtliche Kleider in dieser Sequenz stammen aus der Sammlung CHANEL. Karl Lagerfeld und ich trafen uns mehrfach, und ich zeigte ihm die Entwürfe der Kleider, die Catherine Leterrier machte.“

 

Was die Accessoires betrifft, begab sich die Kostümbildnerin regelrecht auf Schatzsuche. „Auf Flohmärkten und bei Antiquitätenhändlern habe ich nach Baumwollborten, Seidenbändern, Knöpfen und anderen zeitgenössischen Accessoires gesucht“, erinnert sie sich. „Im ,Louvre des Antiquaires‘ entdeckte ich sogar ein Halsband aus Platin und Diamanten, das einmal Mademoiselle Chanel gehört hatte. Im Film umschmeichelt dieses wunderbare Teil den zarten Hals von Audrey Tautou in jener Restaurantszene, in der sie ein schwarzes, paillettenbesetztes Abendkleid trägt. Audrey interessierte sich sehr für die Kostüme. Was mir auffiel, war, wie sie sich während der Anproben konzentrierte und plötzlich in Coco Chanel verwandelte.“

 

Leterrier machte es Spaß, CHANELS Stilelemente auch in die Männerkleidung zu integrieren. „Für Balsans Garderobe“, sagt sie, „habe ich Tweed benutzt, auch ein Markenzeichen von CHANEL, und für seinen Morgenmantel bat ich Bianchini-Ferier in Lyon, einen Seidenstoff mit einem alten, von Raoul Dufy entworfenen Pferde-Motiv zu bedrucken, den ich neu färben ließ. Mein gesamtes Team, von der Vornäherin zum Lehrling, war hoch motiviert, denn es beeindruckte uns sehr, dass wir die Kostüme für Coco Chanel machen durften. Was für Schauspieler Molière ist, ist CHANEL für uns: einfach mythisch!“

 

Als Kameramann engagierte Anne Fontaine Christophe Beaucarne, dessen Arbeit in „So ist Paris“ von Cédric Klapisch, in „Malen oder lieben“ von den Brüdern Arnaud und Jean-Marie Larrieu und im jüngsten, noch namenlosen Film von Jaco Van Dormael zu sehen ist. „Christophe Beaucarne ist ein Kameramann, der jeder Herausforderung gewachsen ist“, begeistert sich Fontaine. „In seiner Persönlichkeit verbinden sich Intelligenz und Humor aufs Wunderbarste.“ Fontaine arbeitete eng mit Beaucarne zusammen, damit die Bilder stets Chanels Blickwinkel einnahmen. „Der Film musste ein Abbild von Coco Chanels Temperament sein“, erklärt sie. „Sie war eine junge Frau, die nie stillstand. Die Bilder mussten pulsieren, Sinnlichkeit und Bewegung vermitteln. Wir haben häufig mit der Handkamera gearbeitet. Wenn er dreht, ist Christophe mit Leib und Seele dabei, erweist sich als sehr anpassungsfähig. Die Offenheit und Integrität, mit der er an diesen Film heranging, haben mir sehr geholfen.“

 

Die Regisseurin und ihr Kameramann entschieden, mit zwei Kameras zu drehen, um Tempo und Rhythmus zu wahren und den Szenen einen modernen Anstrich zu geben. „Die Idee war, Chanels Entwicklung zu zeigen und dabei stets ihrem inneren Abenteuer, ihrer

Liebesgeschichte zu folgen. Der Film ist bis auf zwei, drei Sequenzen nahezu ausschließlich aus ihrem Blickwinkel gedreht. Anne und ich waren uns einig, dass wir keinen Kostümfilm drehen wollten, der selbstgefällig und behäbig wirkt. Bei uns gibt es keine Szenen, in denen die Kamera in die Luft steigt und ausführlich zeigt, wie grandios das Filmset mit seinen Pferdekutschen und Legionen von Statisten aussieht. Der Luxus, den wir uns bei unserem Film leisteten, besteht darin, eben nicht mit dem betriebenen Aufwand hausieren zu gehen. In der Pferderennen-Sequenz waren zum Beispiel 300 Statisten am Set, aber wir haben auf ausführliche, deskriptive Kameraeinstellungen verzichtet. Uns ging es vor allem darum, die Atmosphäre zeitgenössischer Pferderennen einzufangen. Damals wimmelte es dort nur so von Leuten, weil es ein Ort war, an dem man sich sehen lassen musste.“

 

Beaucarne drehte die Szenen in Royallieu bei Sonnenschein, um die weiße Farbe des Schlosses noch zu betonen. „Obwohl sie auf dem Land geboren wurde“, so Beaucarne, „wurde Coco schon sehr früh in ein Waisenhaus eingesperrt. Dann lebte sie in einer Dachkammer für Dienstmädchen und in einem verräucherten Varieté, und plötzlich, auf diesem Schloss, entdeckt sie die Schönheiten der Natur. Durch die Wahl der Bildausschnitte und des Lichts wollte ich vermitteln, wie sich diese unvermittelte Freiheit für Chanel angefühlt haben muss. Nach der Strenge, die in Aubazine herrschte, wo wir viel auf Schwarz und Weiß zurückgriffen, wollten wir Sonnenschein, offene Perspektiven und eine festliche Atmosphäre, die auch Balsans Persönlichkeit widerspiegelt. Produktionsdesigner Olivier Radot und mir schwebte für diese lichten, leichtfüßigen Szenen eine Stimmung wie in ,Der große Gatsby‘ vor.“

 

Beaucarne machte es Spaß, die ikonenhaften Fotos, die Cecil Beaton von Chanel gemacht hatte, zu reinterpretieren. „Ein Motiv war zum Beispiel Chanel in ihrer Schneiderwerkstatt“, sagt er. „Für die letzte Sequenz auf der Treppe im Hause CHANEL in der rue Cambon habe ich eine Ausleuchtung entworfen, die mit Restlicht arbeitet, um eine leicht unwirkliche Atmosphäre zu schaffen. Denn die glamourösen Models auf dem Laufsteg sind nur als Reflexionen in den Spiegeln zu sehen. Hier ging es uns darum, Chanels persönliche Vision der Dinge zu suggerieren.“

 

Beaucarne gesteht, dass ihn Audrey Tautous außergewöhnliche Fotogenität inspiriert hat. „Ich habe den Kontrast zwischen ihrer blassen Haut und den dunklen Augen und Haaren betont“, erzählt er. „Ihr Blick ist unvergleichlich! Ich habe es vermieden, sie direkt zu beleuchten, denn mir waren weiche Bilder voller Kontrast wichtig, subtile Zwischennuancen, mit denen man auch Kleidung und Stoffen gerecht wird. Audrey hat sich mit ihrer Figur stark identifiziert, und es ist ihr gelungen, Chanels Stärke und Bestimmtheit wiederzugeben. Es hat sehr viel Spaß gemacht, sie zu filmen. Denn abgesehen von ihrer Schönheit, achtet Audrey auch sehr auf die Technik. Wenn sie spielt, sind die Variationen ihrer Gestik und Bewegungen äußerst präzise.“

 

Der letzte Bestandteil des Films – die Musik – stammt von Alexandre Desplat. Der Oscar-nominierte Komponist schrieb die Soundtracks zu mehr als 60 Filmen, darunter „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ und „Die Queen“. Der talentierte, äußerst produktive Komponist arbeitet gleichermaßen fürs französische Kino wie für internationale Produktionen. Sein großartiger Soundtrack für „Der wilde Schlag meines Herzens“ gewann in Frankreich einen César für die Beste Musik und bei der Berlinale einen Silbernen Bären. Wie in den anderen Bereichen der Produktion, so arbeitete Fontaine auch mit Desplat eng zusammen, damit die Musik Chanels Persönlichkeit widerspiegelt. „Audreys Blick und der von Coco Chanel“, so Desplat, „haben sehr viel gemeinsam, nämlich diese unerhörte Intensität, diesen Ernst. Wenn sie im Film etwas anschaut, begreift man sofort, dass gerade etwas Bedeutsames passiert. Audrey guckt nicht nur, sie schaut sehr genau, geradezu prüfend hin, und dabei nimmt sie bestimmte Details wahr, Farben und Formen, die sie sich zu eigen macht, indem sie sie durch ihre Persönlichkeit filtert. Was ich mit meiner Musik erreichen wollte, war, die Intensität ihrer Figur zu spiegeln, nicht nur den Spaß. Coco stammt aus bescheidenen Verhältnissen, und sie ist eine Außenseiterin, fast schon eine Art Punk. Sie tut Dinge, die seinerzeit niemand sonst gewagt hätte. Sie trägt extrem schlichte Kleider, Schwarz ist ihre einzige Farbe. Hüte mit Blumen kann sie nicht ausstehen. Sie will die Dinge verändern.

 

So etwas berührt mich sehr – wenn große Künstler neue Wege beschreiten und nicht bloß im Strom treiben. Mit meiner Musik habe ich versucht, mich an ihrer Entwicklung zu orientieren.“ Unterm Strich, hofft Anne Fontaine, ergibt sich das Gesamtbild einer jungen Frau, die

kurz davor steht, sich selbst zu erfinden. „Was mich interessierte“, sagt sie, „war zu zeigen, wie Coco ihr Schicksal in die Hand nimmt, wie sie den Lauf der Dinge selbst beeinflusst. Bei ihr ist nichts vorprogrammiert. Sie will keine Karriere um des Erfolgs willen – sie erfindet alles neu. Sie besitzt weder die Ambitionen noch das nötige Werkzeug, um sich der Bourgeoisie anzupassen – im Grunde bleibt ihr diese Welt verschlossen –, deshalb lenkt sie die Aufmerksamkeit auf sich, macht sich begehrenswert, was natürlich ein Höchstmaß an

Provokation ist. Sie will sich nicht den Regeln dieser Welt beugen, sondern die Welt ihrer Persönlichkeit anpassen. Sie liebt das Risiko. Mir gefiel die Vorstellung, dass sie ihren aufregenden Lebensweg quasi im Untergrund beginnt. Denn als sie auf Royallieu eintrifft, verbietet ihr Balsan zunächst, das Schlafzimmer zu verlassen. Ihr Image hat sie auch dadurch geprägt, dass sie ihre Ursprünge stets im Dunkeln ließ. Die Geschichte ihrer Kindheit hat sie immer wieder beschönigt.“