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Vintage-Wahn

Editorial Team

Ich liebe Mode. Sehr. Glücklicherweise befand ich mich letzte Woche in Paris, der Stadt der unbegrenzten Einkaufsmöglichkeiten. Glücklicherweise befand ich mich dort mit meiner fashion- verrückten Freundin, der mit der unbegrenzten Shopping-Ausdauer. Natürlich waren wir auch dort, um uns kulturell weiter zu bilden. Dennoch kann und will ich nicht leugnen, dass wir vor der Abreise die Adressen der besten Läden rausgesucht haben, statt im Reiseführer die spektakulärsten Sehenswürdigkeiten zu markieren. In Paris gibt es nämlich etwas, das man in meiner Heimatstadt lange suchen kann: Vintage-Läden. Und zwar dutzende.

 

 

Und so stiefelten meine Freundin und ich –nach einigen Stunden im Louvre wohlgemerkt- mit unserem Adressen-Zettel durch Paris, wie zwei Seeräuber auf Beutezug, immer der Schatzkarte nach. Unsere Schritte wurden immer schneller, der Blick immer gehetzter, als wir ihn schließlich fanden: den ersten Vintage-Laden auf unserer Liste. Laut unseren Recherchen, sollten die Klamotten dort „für Pariser Verhältnisse günstig“ sein, was im Normalfall natürlich bedeutet „immer noch viel zu weit über meinem Budget“. Wir machten uns dahingehend also nicht allzu viele Hoffnungen. Irrtum Nummer eins. Meine Freundin und ich stellten uns den Laden als versteckt gelegenen Geheimtipp vor, in dem man sich in Ruhe umschauen konnte, da ihn bestimmt nicht so viele Leute kannten und wir den Laden somit für uns hätten. Irrtum Nummer zwei.

 

Als wir eintraten, flogen uns erstmal Unmengen von Tüchern, Pullis und anderen Stoffkreationen entgegen. Der Laden, der ungefähr die Größe einer Schuhschachtel hatte, war bis unter das Dach vollgestopft mit Klamotten, Hüten, Schuhen, Taschen und Verrücktheiten. Und durch diese Berge wühlten sich geschätzte 50 modebegeisterte Mädels, allesamt mit einem gierigen Glitzern in den Augen. Es gab genau eine Umkleidekabine in diesem Laden, was uns in Anbetracht der shoppingwütigen Massen relativ problematisch erschien. Wie wir später erfahren sollten war es das auch, wurde meine Freundin doch gleich brüsk und auf Französisch zurechtgewiesen, als sie in der Umkleidekabine einen Pulli anprobieren wollte. Fragend blickten wir umher, wir verstanden das Problem nicht.

 

Der Ladeninhaber zeigte auf die anderen Mädels, die sich mitten im Laden ihre T-Shirts vom Körper rissen, um die Vintage-Teile gleich an Ort und Stelle anzuprobieren. Anscheinend war die Kabine nur für Leute gedacht, die ganze Outfits anprobieren wollten und denen man nicht zumuten wollte, komplett in Unterwäsche durch den Laden spazieren zu müssen. Wir setzten unsere Schnäppchen-Suche dennoch unbeirrt fort, als mein Blick nach oben wanderte. Dort war aus Platzmangel eine Art Galerie angebracht worden, auf der Unmengen von Taschen gestapelt waren. Auf die Galerie gelangte man nur über eine kleine Trittleiter, bei deren bloßem Anblick mir schon angst und bange wurde.

 

Die anderen Mädels sahen das aber offenbar weniger kritisch und hangelten sich beherzt an der Leiter und der Galerie nach oben, um an die Taschen zu gelangen. Auf mäßig modebegeisterte Menschen hätte dieser Anblick vielleicht etwas skurril gewirkt, aber in dem kleinen Vintage-Laden wunderte sich niemand. Vermutlich spielten sich dort tagtäglich solche und ähnliche Shopping-Szenarien ab. Meine Freundin und ich verzichteten allerdings auf die Kletter-Erfahrung und suchten uns unsere Lieblingsstücke stattdessen auf sicherem Boden.

Ob sich der ganze Wahn gelohnt hat? Bei einem Blick auf meine Einkäufe muss ich definitiv sagen: ja! Dennoch bin ich jetzt auch wieder ganz froh um meine Läden zu Hause, in denen genug Umkleidekabinen vorhanden sind und man nicht Gefahr läuft beim Einkaufen von einer herunterstürzenden Tasche oder Schnäppchenjägerin erschlagen zu werden.

 

„Ihr hattet ähnliche Shopping-Erlebnisse oder wollt einfach nur eure Meinung zur Kolumne loswerden? Dann schreibt mir unter franzi@fashiony.de !“