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Interview mit Regisseurin Margarethe von Trotta

Editorial Team

Fragen & Antworten

In ihrem Film HANNAH ARENDT beschäftigt sich Margarethe von Trotta (Rosa Luxemburg, Die bleierne Zeit, Rosenstraße, Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen) erneut mit einer der Großen unserer Zeitgeschichte, interessiert…

 

 

…sich aber nicht nur für das Phänomen Hannah Arendt, sondern vor allem für die Frau, die sich hinter der unabhängigen Denkerin verbirgt.

Sie stellen sich in Ihren Filmen immer wieder einer intensiven Auseinandersetzung mit Jahrhundert-Persönlichkeiten – Rosa Luxemburg, Hildegard von Bingen, die Ensslin-Schwestern … Was hat Sie an Hannah Arendt gereizt?

Die Frage, wie ich mich einer Frau filmisch nähern kann, die denkt. Der ich nicht nur beim Agieren, sondern beim Denken zusehen muss. Natürlich hatte ich sogleich die große Befürchtung, ihr nicht gerecht werden zu können.

Insofern war die filmische Umsetzung viel schwieriger als z.B. bei Rosa Luxemburg. Zwar verfügten beide Frauen über die gleiche Intelligenz und Individualität, waren begabt zur Liebe und zur Freundschaft, provozierten mit dem, was sie dachten und wie sie redeten. Hannah Arendt aber hatte kein so dramatisches Leben wie Rosa Luxemburg – sondern nur ein „bewegtes“.

 

Um mehr über sie zu erfahren, habe ich nicht nur ihre Schriften und Briefe gelesen, sondern versucht, Menschen zu finden, die sie noch gekannt haben. Auf diese Weise konnte ich allmählich herausfinden, was ich über sie erzählen wollte und welche Zeit in ihrem Leben dazu am besten geeignet war. Manchmal hatte ich aber regelrecht Angst vor ihr. Sie erschien mir plötzlich abweisend und arrogant. Erst das berühmte Gespräch zwischen ihr und Günter Gaus hat mich endgültig überzeugt, indem es mir die charmante, witzige und sympathische Hannah Arendt offenbart hat, der man – wie Gaus später in einem Interview erzählte – sofort „verfiel“.

 

 

 

 

 


Die ständige Annäherung fand auch während der Arbeiten am Drehbuch statt, die Sie 2003 zusammen mit der amerikanischen Drehbuchautorin Pam Katz begonnen haben und in deren Prozess Sie dann 2006 entschieden haben, HANNAH Arendt – damals noch unter dem Arbeitstitel „Die Kontroverse“ – auf die vier Jahre rund um den Eichmann-Prozess von 1961 zu konzentrieren.

Wir wollten von Hannah Arendt erzählen, ohne sie oder ihr Leben und Werk zu reduzieren, aber auch ohne das übliche Biopic-Genre zu bedienen. HANNAH ARENDT ist nach Rosenstraße und Die andere Frau meine dritte Zusammenarbeit mit Pam Katz.

Das Drehbuch haben wir im „Ping-Pong“-Verfahren geschrieben und uns via New York, Paris und Deutschland ständig ausgetauscht. Aber zunächst war da die Frage: was sollten wir aus Hannah Arendts Leben auswählen?

Die Liebesgeschichte mit Martin Heidegger, was viele möglicherweise erwartet haben, ihre Flucht aus Deutschland, ihre Jahre in Paris, ihre Jahre in New York? Die Idee, den Film auf die vier Jahre ihrer Auseinandersetzung mit Eichmann zu konzentrieren, war dann die glückliche Lösung. Die Gegenüberstellung Hannah Arendt – Adolf Eichmann hat uns erlaubt, zwei Haltungen aufzeigen zu können, die für die Geschichte nicht nur der beiden Protagonisten erhellend waren, sondern für einen großen Teil unserer europäischen Geschichte des letzten Jahrhunderts.

 

Eines der Zitate von Hannah Arendt lautet: „Keiner hat das Recht zu gehorchen“. Sie, die nicht gehorcht, sondern ihrer eigenen Stimme und Erkenntnis folgt, und Eichmann, der gehorcht, der eine der wichtigsten Eigenschaften des Menschen, die, selber zu denken, aufgibt und es sich zur Ehre macht, Befehle zu befolgen. Die politische Theoretikerin und eigenständige Denkerin einerseits und der Bürokrat, der nicht denkt, sondern sich unterordnet andererseits.

 

 

 

Das „Nichtdenken“ Eichmanns haben Sie wunderbar durch das Einspielen von Schwarz-Weiß-Archivbildern des Prozesses festgehalten.

Die „Banalität des Bösen“ kann man nur an der wirklichen Person Eichmann aufzeigen. Jeder Schauspieler würde den Blick eher verfälschen, anstatt zu schärfen. Als Zuschauer würde man seine Bravour möglicherweise bewundern, aber nicht so sehr die Mittelmäßigkeit dieses Mannes wahrnehmen, der keinen einzigen Satz grammatikalisch richtig formulieren konnte.

Von dem man merkt, dass er nicht mitdenkt. Es gibt eine Spielszene mit Barbara Sukowa im Gerichtssaal, in der sieht man Eichmann nur von der Seite. Viele andere Momente verfolgen wir im Presseraum. Wir sind einfach davon ausgegangen, dass Hannah als starke Raucherin viel öfter im Presseraum als im Verhandlungssaal gesessen und von dort rauchend den Prozess verfolgt hat.

Im Presseraum konnten die Journalisten den Prozess über mehrere Monitore verfolgen. Da war es nur natürlich, auf den Bildschirmen das Archivmaterial einzublenden. Übrigens wurde uns später im Gespräch mit Hannahs Nichte, die mit ihr in Jerusalem war, bestätigt, dass Hannah hauptsächlich im Presseraum gesessen hat, weil sie dort rauchen durfte!

 

 

 

Hannah Arendt Kinostart: 10. Januar 2013

 

 

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