Evet, ich will – Fragen an Sinan Akkus

Editorial Team

Sinan Akkus, 1971 im türkischen Erzincan geboren, lebt seit seinem dritten Lebensjahr in Deutschland, derzeit in Köln. Nach dem Abitur in Kassel, studierte er zunächst Philosophie und Germanistik, bevor er sich 1994 dem Studium der Visuellen Kommunikation mit Schwerpunkt Film und Fernsehen widmete. Bereits während dieser Studienjahre war Sinan Akkus in einer Film- und Fernsehproduktionsfirma, in den Bereichen Kamera, Schnitt und Konzeption von Werbefilmen tätig. 1995 konnte er zudem als Austauschstudent an der Escuela Internacional de Cine y Televisiòn auf Kuba weitere filmische Erfahrungen sammeln. 2000 schloss Akkus dann sein Studium an der Hochschule der bildenden Künste in Kassel mit Auszeichnung ab.

 

Erste Erfolge feierte Sinan Akkus im Jahr 2000 mit seinem preisgekrönten Kurzfilm „Sevda heißt Liebe“ über eine bald gar nicht mehr so geheime Liebe, zu dem er das Drehbuch schrieb und Regie führte. 2002 folgte mit „Lassie“ ein ebenfalls mehrfach ausgezeichneter Kurzfilm rund um drei Vorstadtganoven, einen Hund und einen Döner-Werbespot… Nach den Drehbüchern zu „Speed Blind Date“ (2004) und „Romeo & Hülya“ (2006), startet mit EVET, ICH WILL! am 1.10.2009 Sinan Akkus’ erster Langspielfilm in den deutschen Kinos.

EVET, ICH WILL! konnte bereits vor Filmstart auf mehreren Festivals das Publikum für sich gewinnen, so wurde er 2008 u.a. mit dem Publikumspreis beim Kinofest Lünen als „Bester Film“ ausgezeichnet, sowie 2009 auf dem San Francisco Film Festival Berlin and Beyond mit dem „Audience Award“.

 

 

Sie haben auch das Drehbuch zu EVET, ICH WILL! geschrieben. Wie entstand die Idee zu dieser Geschichte?

Aus den Themen, die mich interessieren, entstehen die Geschichten. Und das Thema Türken und heiraten ist ein großes Thema. Gar nicht mal das Heiraten an sich, sondern eher der Generationskonflikt bezüglich dieses Themas: Vorurteile der Eltern gegenüber den Partnern ihrer Kinder. Fast alle Türken wollen, dass ihr Kind einen Türken heiratet oder jemanden mit ihrer Religionszugehörigkeit, obwohl ihre Kinder gar nicht religiös sind. Das war ja auch Thema meines Kurzfilmes „Sevda heißt Liebe“

 

 

Eine Culture-Clash- oder eine Hochzeitskomödie? Hatten Sie eine bestimmte Intention beim Schreiben?

Nein eigentlich nicht. Ich wollte eine Komödie und noch lieber eine Tragikkomödie schreiben und hatte keine Begriffe im Kopf. Was es jetzt geworden ist, kann ich gar nicht sagen. Vielleicht eine Culture-Clash Hochzeitskomödie?

 

 

Was macht den Humor von EVET, ICH WILL! aus und haben Sie ein Faible für Komödien?

Naja, ich sage ja immer, dass ich den Film gar nicht in erster Linie als überdrehte Komödie angelegt habe, sondern bewusst so, dass sich alles genauso auch in der Realität zutragen könnte. Ich glaube der Humor entsteht gerade dadurch, dass alles leider sehr wahr und ernst ist und so auch von den Schauspielern gespielt wird. Ganz sicherlich habe ich eine Faible für Komödien, aber noch lieber mag ich Tragikomödien.

 


Klischee oder Realität? Inwiefern hat dies bei der Auswahl des Casts eine Rolle gespielt?

Es war schon so, dass wir auch Schauspieler gewählt haben, die bereits dadurch bekannt waren, daß sie zugespitzte Figuren spielen können, wie Oliver Korittke oder Heinrich Schafmeister. Mit den Schauspielern haben wir aber daran gearbeitet, wie sie ihre Charaktere möglichst natürlich verkörpern können – also ohne die Glaubwürdigkeit einer Pointe zu opfern. Dann hatte ich aber natürlich auch Schauspieler, bei denen ich darauf bauen konnte, dass sie einen ausgeprägt realistischen Zugang zu ihren Figuren einbringen würden.

 

 

Egal welche Nationalität, welcher kulturelle Hintergrund, eines verbindet alle Männer des Films: Die Frauen sind der stärkere Part. Warum?

Allgemeiner, so als Soziologe, könnte man vielleicht sagen, dass Frauen häufig doppelt durch die Migrationssituation belastet sind – gegenüber der Mehrheitsgesellschaft aber auch durch die Erwartungen innerhalb der eigenen Familie. Und das führt dann zu so starken Charakteren, die genau wissen, was sie wollen. In der zweiten und dritten Generation sowieso, aber auch schon unter den Gründern. Vielleicht sollte ich aber auch mit meinem Therapeuten über dieses Phänomen reden.

 

 

EVET, ICH WILL! spielt in Berlin, würden Sie ihn als Berlin-Film bezeichnen?

Fakt ist, dass in Berlin die größte türkische Community Deutschlands lebt, mit einer sehr ausgeprägten Kiezstruktur; von daher macht es Sinn, dass der Film dort spielt. Allerdings habe ich bewusst darauf geachtet, dass es nicht so aussieht, als würden die Geschichten nur in Berlin vorkommen, denn es ist die Geschichte von Türken im Allgemeinen.

 

 


In EVET, ICH WILL! geht es ja im weitesten Sinne darum, seinen Platz im Leben zu finden. Was macht den Film universell?

Zu allererst einmal die LIEBE, dann natürlich Toleranz und Akzeptanz zwischen Generationen und das er lustig ist. Zugegeben, große Worte bei diesem kleinen Film…

 

 

 

 

Am Ende des Filmes findet jeder sein Glück, sogar die Väter. Sind Sie harmoniesüchtig?

Ich glaube schon. Leider auch im Privatem, was nicht immer gut ist. Meine Frau jedenfalls nervt das manchmal sehr. Aber andererseits muss man ja auch zwischen Leben und Werk trennen, wie ja schon Goethe oder sonst wer gesagt hat…

 

 

Ist es Segen oder Fluch, dass Ihre Geschichte bzw. der kulturelle Hintergrund Ihrer Familie beständiges Thema in Gesprächen über Ihr Filmschaffen ist? Schließlich leben Sie seit ihrem 3. Lebensjahr in Deutschland.

Solange es Menschen gibt, die mich kennenlernen und zu mir sagen, dass ich aber gut Deutsch spreche’, wird mein kultureller Hintergrund leider immer Thema bleiben.

 

 

Es ist jetzt eine Reihe an deutschen Filmen entstanden, die zwischen zwei Kulturen spielen. Wie kommt das, womit hat das Ihrer Meinung nach zu tun?

Die zweite Generation hat ein neues Selbstbewußtsein entwickelt. Einerseits gibt es immer mehr türkischstämmige Filmemacher und jene, die es werden wollen und zum anderen öffnen sich Sender und Förderer immer mehr solchen Filmen. Wenn Sie das Filmschaffen in der Türkei mit deutschen Produktionen vergleichen könnten, wo würden Sie EVET, ICH WILL! sehen? Es passiert gerade viel im Filmbereich zwischen den beiden Ländern. Deutschland macht Co-Produktionen mit der Türkei, und umgekehrt, und die Filme werden auf große Festivals eingeladen, das war früher nicht so ausgeprägt.

Und es gibt auch viele deutsch-türkische Schauspieler und Regisseure, die sich neben ihrer Arbeit in Deutschland ein zweites Standbein in Istanbul schaffen. Und Maxximum-Filmverleih, der auch meinen Film verleiht, hat ja im Blockbuster-Bereich mit dazu beigetragen, dass türkische Filme heute fast zeitgleich in Deutschland als auch in der Türkei starten können, dadurch rücken beide Länder näher aneinander. Auf der anderen Seite gibt es unabweisbare kulturelle Unterschiede – nicht nur zwischen Türken und Deutschen, sondern auch zwischen Türken und Deutsch-Türken, ja sogar innerhalb verschiedener Generationen, und das ist ja auch ein Thema in EVET. Beispielsweise was die Akzeptanz von Schwulen betrifft. Ich bin da sehr gespannt, wie mein Film, den ich ja als „Deutscher mit türkischem Migrationshintergrund“ gemacht habe, wie das so heißt, in der Türkei angenommen wird.

 

 

Glauben Sie, Filme wie EVET, ICH WILL! helfen, sich gegenseitig besser zu verstehen?

Genau das war meine Intention und ich hoffe, dass dies der Fall ist. Ich hatte mir beim schreiben immer vorgestellt, dass die Deutschen Mäuschen Spielen dürfen und sehen, was sich bei diesem Thema hinter türkischen Türen abspielt.

 

 

Warum kommt der Film Ihrer Meinung beim deutschen Publikum so gut an?

Naja, er setzt sich ja mit mehreren Themen der so genannten Einwanderergesellschaft auseinander, die normalerweise unglaublich ernst und bemüht behandelt werden. Und ich will sagen: es ist alles nicht so schwer, wir haben alle unsere Probleme und wir haben auch alle

unseren Spaß!