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Saubere Perfektion bestimmte den Look

Editorial Team

„Mad Men“ frönt auf den ersten Blick bedingungslos dem Nostalgietrend. Gezeigt wird ein gesellschaftliches Universum der Unschuld, in dem man noch tat, was man eben tat – ohne zu zweifeln, zu kritisieren, zu klagen, zu „diskutieren“. Straight life eben. Diejenigen, die alles Unglück der heutigen Welt der 68er-Generation in die Schuhe schieben, müssten sich in dieser Welt (eigentlich) zu Hause fühlen: Es herrscht Vor-Emanzipation, Vor-Gesundheitswelle, Vor-Jugendrebellion. Kein Mensch läuft mit Piercings durch die Gegend, keine Ohren sind mit iPod-Stöpseln verstopft, die Manieren sind höflich, zumindest auf dem Flur. Der Boss ist der Boss. Egal, ob er säuft oder seine Frau betrügt. Keine Spur von jener postmodernen Beliebigkeit, die heute alle wortreich beklagen.

„Mad Man“ ist auch ein wunderbarer Kostümfilm, der lustvoll in den Accessoires der frühen Wohlstandsgesellschaft schwelgt. Die Kamera huldigt den Braun- und Orangetönen einer aufbrechenden Designmoderne, die Radios, Fernseher, Schreibmaschinen, Autos zu runden, metallischen, irgendwie utopischen Artefakten formt.

 

 

www.neo.zdf.de

Eucalyptus – Get the Mad Men Look

 


Interview mit Diplom-Modegrafikerin und ZDF-Stylistin Ute Penz

Was macht den Modestil der frühen 60er Jahre aus? Was ist das Besondere daran?
Die 60er waren die Jahre der Erneuerungen und Entwicklungen. Nach Jahren der Entbehrung konnte man es sich nun leisten, über Äußerlichkeiten zu zeigen, wer man ist – oder zumindest, wer man sein wollte. Die Mode war aufgeräumt. Saubere Perfektion bestimmte den Look. Es sah nicht nur so aus, als hätte man morgens zwei Stunden vor dem Spiegel verbracht, es war auch so. Typisch für die Zeit ist auch, dass die Mode nicht nur der sozialen Oberschicht vorbehalten war, sondern die neue Mode in allen gesellschaftlichen Klassen mit unterschiedlichen Stilrichtungen umgesetzt wurde. Jungendliche Subkulturen übernahmen nun Ton angebend Regie in punkto modische Erneuerungen.

Inwieweit spiegelt die 60-er Jahre Mode die gesellschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit wieder?
Der rasende Auftrieb der Weltwirtschaft, die Mobilität, die Verbreitung der Medien, die Pille, die Modedroge LSD und THC – all das beeinflusste das Selbstverständnis der Gesellschaft und mündete schließlich in der sexuellen Revolution. Es scheint, als konnten die Menschen diesen schnellen Entwicklungen mit all ihren Konsequenzen kaum noch folgen: Die Mode ist einerseits zutiefst bürgerlich und dabei gleichzeitig explosiv sexy in ihrer Aussage.

Der fast schon bieder anmutende Sekretärinnenund Hausfrauen-Look der Protagonistinnen von „Mad Men“ ist insgeheim total sexy und körperbetont. Tupfen-Muster und Bubi-Krägen zieren körpernahe Blusen, unter engen Twinsets sitzen Büstenhalter, die selbst den üppigsten Busen scheinbar mühelos empor liften. Die Herrenmode ist ebenso detailverliebt und die Silhouette körpernah und schmal, um den maskulinen Körperbau selbstbewusst zu inszenieren.

Was war wohl die größte Herausforderung für die „Mad Men“- Stylistin Janie Bryant?
Janie Bryant hat sehr viel Sorgfalt auf die richtige Produktion der Outfits gelegt. Die Mode von damals kann nicht einfach kopiert werden. Produktionsschritte waren viel aufwändiger, Stoffe und Produktionstechniken haben sich stark verändert. Anzüge wurden mit echten Rosshaar-Einlagen gefertigt, was den Blazern den besonderen, weichen Fall verlieh. Hinzu kommt, das sich der Körperbau der Menschen verändert hat: Die Europäer wurden größer und nach und nach haben sich zum Beispiel die Taillen-Maße, das Hüft-Maß und die Schulterbreite der Frauen verändert.

Warum erfreut sich ausgerechnet der „Mad Men“-Modestil aus einer Ära mit aus heutiger Sicht unzeitgemäßen gesellschaftlichen Vorstellungen einer solch großen Beliebtheit?
Nach einer Phase des „anything-goes“ scheinen sich die Menschen wieder nach wohl dosierter Sorgfalt und natürlicher Eleganz zu sehnen. Die praktische Mode, T-Shirts, Turnschuhe und Jeans, die seit den 80er Jahren weltweit verbreitet ist, mag bequem sein, sieht aber nicht individuell oder besonders aus. Ein vom Scheitel bis zur Sohle gestyltes Aussehen bietet Sicherheit und Freude und weckt das Interesse beim Gegenüber.

Kann die Mode einer US-Serie, die in der Vergangenheit spielt, die Mode der Gegenwart verändern? Oder hat sie es schon?
Das Innovation aus dem „Nichts“ kommt, ist ein Trugschluss. Zukünftige Trends greifen immer auf Bewährtes zurück und setzen es dem Zeitgeist entsprechend um.

Welche Einflüsse aus den 60er Jahren finden sich in der heutigen Mode wieder?
Viele Designer orientieren sich gerne am modischen Vokabular der 60er Jahre. In den aktuellen Kollektionen finden sich „zu kleine“, graue Anzüge oder schmale Hochwasser-Hosen. Generell besitzen die Herrenanzüge schmale, weiche Silhouetten und die Damengarderobe die kokette Sexyness der damaligen Zeit.

Was drückt eine Frau heutzutage aus, wenn Sie die sehr feminine Mode im Stil der 60er Jahre trägt?
Selbstbewusstsein, Freude an der Mode, Gestaltungswillen und Lebenslust.

 

Welche Prominenten waren damals bekannte Modevorbilder? Wer ist echte Stil-Ikone der frühen 60er Jahre?
Die Liste der Stil Ikonen wäre sehr lang. Man inszenierte sich einfach großartig. Elvis Presley war der reinste Styling-Künstler, Frank Sinatra, Dean Martin und Jerry Lewis eiferten um die Rolle des stilistischen Gentleman. Bei den Damen wurden Jacky Kennedy, Sophia Loren, Catherine Deneuve, Romy Schneider und natürlich auch Brigitte Bardot vergöttert. Durch ihre selbstbewusst-progressive Performance wurden sie zu klassischen Stil-Ikonen, die bis heute Einfluss haben.

Welche bekannten Designer prägten den Modestil der frühen 60er Jahre?
Der damals revolutionäre New Look, die weitere Trapez-Linie, wurde von Christian Dior lanciert. Yves Saint Laurent entwickelte sich damals mit seinem 1962 gegründeten Modehaus zum Gott der Mode. Mary Quant kürzte die Rocksäume und schockierte mit dem Mini-Rock, während Rudi Gernreich mit dem Monokini, ein Badeanzug, der die Brüste komplett freilegte, überraschte.

Welche Tipps haben Sie für diejenigen, die sich im „Mad Men“- Stil kleiden möchten?
Studieren Sie die einfachen Formen und die klaren Kontraste und Farbkombinationen der damaligen Mode. Bei jedem Outfit erkennt man sofort das Thema: Das kann die monochrome Harmonie eines grauen Anzugs sein, ein besonders schönes Material, ein kunstvoll arrangiertes Detail wie eine Haarklammer im Haar oder feine Stilettos zu einer schmalen, hochgeschlossenen Jeans.

Die Männer sollten mindestens einen guten Anzug besitzen und sich den Luxus eines weißen Hemdes dazu gönnen. Eine schmale Krawatte, ein Einstecktuch und feine Schuhe komplettieren den Look. Wem das zu aufwändig ist, der kann einen hellen Rollkragen-Pullover zu schmalen Wollhosen und Lederschuhen tragen.