Folgende Situation: Shuttle-Bus auf dem Weg zum Flugzeug. Es war halb sechs am Morgen, der Bus überfüllt, nirgendwo war mehr ein Sitzplatz zu kriegen. Ich sah mich gelangweilt um, da fiel mein Blick auf eine junge Frau, sehr stylish, sehr selbstbewusst – und sehr unverschämt. Sie hatte als eine der wenigen Glücklichen einen Sitzplatz bekommen und saß dort – vertieft in ein Modemagazin – am Fenster. Auf dem Platz neben ihr thronte dunkel, wichtig, groß und ebenfalls sehr schick – ihre Handtasche.
Das Kuriose daran war nicht nur die Tatsache, dass diese Handtasche in einem überfüllten Bus voller Leute einen eigenen Sitzplatz hatte, sondern vielmehr, dass aufgrund der Selbstverständlichkeit, die diese Frau dabei ausstrahlte, keiner auf die Idee kam sich zu beschweren, geschweige denn der Handtasche den Sitzplatz wegzunehmen.
Anscheinend gilt in solchen Situationen das Prinzip: „Wenn meine Handtasche schon so wichtig ist, dass sie einen eigenen Sitz braucht, könnt ihr euch wohl denken wie wichtig ich dann wohl bin, sprecht mich also gar nicht erst an.“
Und dieses Prinzip schien aufzugehen. Meine Freundin und ich staunten offen angesichts dieser bodenlosen Dreistigkeit und bewunderten insgeheim das dahinterstehende Fashion-Statement. „Meine Handtasche ist um einiges wichtiger als ihr Loser.“
Inspiriert von dieser Situation und beflügelt von drei Tagen Fashion-Week in Berlin, versuchte sich meine Freundin auf dem Rückflug ebenfalls an diesem Experiment. Allerdings in entschärfter Form.
Wir saßen im Flieger und warteten bis alle Passagiere an Bord waren. Meine Freundin stellte fest, dass der Sitz neben ihr frei geblieben war und somit zu ihrer freien Verfügung stand. Kurzerhand griff sie unter ihren Sitz und holte ihre neu erworbene, Berliner Handtasche hervor. Kichernd stellte sie das gute Stück neben sich auf den freien Platz und schnallte sie vorschriftsgemäß an.